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Tony Rinaudo sorgt mit traditionellen Wiederaufforstungsmethoden für Abermillionen von Bäumen – und Volker Schlöndorff dreht eine Kinodokumentation über den Australier. Ein Zwischenergebnis: Ein Lehrfilm im Auftrag des BMZ.
Schlöndorff: Tony, warum magst du nicht den Titel „Bäume der Hoffnung“ für unseren Kinofilm? Mir gefällt er…
Rinaudo: Ach, das wurde auch ursprünglich als Titel für mein neues Buch angedacht, ich mag ihn! Aber der Verleger meinte, das klinge ein wenig kindisch…
Schlöndorff:…was wäre daran falsch?
Rinaudo: Gar nichts. Aber der Verleger schlug dann vor: „Meine Bäume der Hoffnung“.
Schlöndorff: Das ist schrecklich!
Rinaudo: Ja, es sind nicht meine Bäume, das klingt anmaßend. Ich hab dann gegoogelt, leider gibt es den Buchtitel „Bäume der Hoffnung“ schon – und der Verleger will einen persönlichen Titel. Ich hab dann kapituliert.
Schlöndorff: Also, „Meine Bäume der Hoffnung“ werde ich den Film bestimmt nicht nennen. „Bäume der Hoffnung“ erscheint mir auch allgemein genug, dass man den Titel mehrfach nehmen kann. Wir finden es heraus!
Rinaudo: Nun, „Der Waldmacher“ ginge auch, wie das erste Buch über mich.
Schlöndorff: Immerhin ist es dein Spitzname. Und besser als „Mutter Theresa“. Wann können wir eigentlich mit den Dreharbeiten weitermachen, kannst du abschätzen, wann du Australien wegen der Corona-Situation verlassen kannst?
Rinaudo: Es verbessert sich, da bin ich hoffnungsvoll. Nur demonstrieren gerade die Covidioten – nicht dass die Lage wieder schlimmer wird. Nicht wenige halten es für eine Zeitungsente und geben nicht acht.
Schlöndorff: Das gleiche bei uns. Was Visa angeht, ist also Ausreise aus Australien und Einreise nach Afrika noch ungewiss.
Rinaudo: In diesem Jahr gewiss nicht mehr.
Schlöndorff: Vielleicht fahre ich 2020 noch nach Senegal, aber nicht zum Drehen, sondern für eine Scouting Tour. Möglicherweise verteile ich ein paar Handkameras. Übrigens, der dreißigminütige Lehrfilm, den das BMZ bestellt hat, ist bald fertig. Vergangene Nacht hat mir die Cutterin letzte Szenen geschickt, nun muss ich nur noch an den Farben und hier und da am Ton arbeiten.
Schlöndorff hat in seinen mittlerweile 81 Jahren 37 Filme gedreht, viele Dokumentarfilme produziert und in den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts war er Geschäftsführer des Filmstudios Babelsberg. Links neben seinem Schreibtisch steht eine mächtige damaszenische Kommode, die er von seinen Dreharbeiten zu „Die Fälschung“ in Beirut im Jahr 1981 mitgebracht hat. Dasfeine Holzmosaik glänzt noch immer. Der Blick durchs Fenster landet auf mächtigem Blätterwerk.
Rinaudo: Wunderbar. Jetzt, wo das Reisen schwieriger wird, kann das ein wichtiges Instrument werden.
Schlöndorff: Ja, als Teil eines Workshops. Es wird ja nicht ausreichen, das Video in Dörfer zu schicken, und dann machen alle FMNR.
Schlöndorff: Der Film könnte von Bauern für Bauern gezeigt werden, die bereits ihre Erfahrungen mit FMNR gemacht haben.
Wann wird denn Ihr Hauptfilm über Herrn Rinaudo fertig sein?
Schlöndorff: Hätte es Corona nicht gegeben, wären wir damit durch. Aber nun, wegen der Reisebeschränkungen, wird es wohl bis zum nächsten Sommer dauern.
Wie haben Sie beide sich eigentlich kennengelernt?
Rinaudo: Das war auf einer kleinen Feier. Ich hatte gerade in Stockholm den alternativen Nobelpreis erhalten, und hatte auf dem Rückflug einen Stopp in Berlin gemacht.
Schlöndorff: Wir beide sind bei World Vision aktiv – ich seit elf Jahren, hatte aber vorher nie etwas mit seinen Bäumen zu tun. Ich wurde aber zu einer kleinen Feier mit ihm in ein italienisches Restaurant eingeladen. Und da machte es dann Peng.
Was machte es?
Schlöndorff: Mir wurde sofort klar, dass ich über ihn einen Film machen muss. Ich bin vom Sternbild her Widder, also impulsiv nach vorn: Wie kann es sein, dass so wenige Menschen über diese Weltrevolution wissen, die dieser Rinaudo anzettelt? Ich muss einfach dafür Propaganda machen.
Das entschieden Sie zwischen den Gängen?
Schlöndorff: Beim Kaffee. Am nächsten Morgen klopfte ich an Tonys Hotelzimmer, mit einem Blatt Papier – und wir unterzeichneten einen Vorvertrag. Ich war davon überzeugt, dass uns die Investoren die Tür einrennen werden. Aber wir brauchten ein Jahr, um die erste Minimalfinanzierung des Films auf die Beine zu bringen.
Warum ist das so?
Schlöndorff: Es ist mir ein Rätsel.
Die Erfolge der FMNR-Methode sieht man als grüne Pfeiler in der Landschaft, echte Bollwerke gegen die Ausbreitung der Wüste: Allein im Niger wurden 200 Millionen Bäume mit Hilfe dieser Methode hochgezogen, und im Süden Äthiopiens wurden in der Region Humbo 27 Quadratkilometer Land wieder aufgeforstet. Ein Experte vom „World Resources Institute“ spricht nach Angaben der „Welt“ von der „wohl größten Umweltveränderung in Afrika in den letzten hundert Jahren“. Eine, die man auch im Weltraum sehen kann: Satellitenbilder zeigen heute ein Grün, wo früher Wüste war.
Herr Rinaudo, was dachten Sie, als Herr Schlöndorff Ihnen vorschlug, einen Film über Sie zu drehen?
Rinaudo: Ein komisches Gefühl hatte ich schon, aber ich freute mich auch zugleich: Ich werde älter und kann nicht mehr in jedes Land reisen, das von FMNR profitiert. Natürlich fragte ich mich: Was wird mit mir passieren? Wird dieser Regisseur mich hin und her dirigieren? Aber dann draußen, auf dem Feld, haben wir schnell Freundschaft geschlossen. Es ist toll mit ihm zusammenzuarbeiten.
Schlöndorff: Ich kam auch nicht als Regisseur, sondern als Beobachter. Nur in kleinen Details gab ich ein paar Ratschläge, ansonsten intervenierte ich kaum in das, was Tony machte. Ich dokumentierte. Und ich lernte viel über Afrika und über Landwirtschaft.
Was denn?
Schlöndorff: Wie wichtig zum Beispiel die Bäume sind. In Gegenden wie im Niger braucht es sie, um die Bodenerosion aufzuhalten, die Verkümmerung der Böden. Unter ihrem Schatten lässt sich auch dann besser Landwirtschaft betreiben. Und in Äthiopien spielen Wälder eine ganz wichtige Rolle: Wasser kehrt zurück, Tiere kommen wieder – und die Bäuer*innen profitieren davon.
Wie das?
Schlöndorff: Noch leben in den afrikanischen Ländern rund 600 Millionen Menschen in Dörfern und betreiben Kleinlandwirtschaft auf einem Hektar oder weniger. Dies gilt es zu erhalten. Wollen wir tote Dörfer, wo keiner mehr arbeitet, wie in Brandenburg? Aus Dörfern entspringen unser aller Kulturformen. Damit kommen die Bäume ins Spiel: Ermöglichen sie nämlich mehr und bessere Landwirtschaft, erhöht dies die Chance, dass die Leute nicht in die Städte abwandern.
Rinaudo: Die meisten verlassen ihre Dörfer nicht freiwillig. Haben sie dort eine Arbeit, die sie ernährt, und dazu Lösungen für die Zukunft ihrer Kinder sowie Elektrizität – dann bleiben sie. Diese Megacitys sind bestimmt keine Alternative.
Was sind denn die Folgen dessen, dass in Afrika nicht mehr so viele Bäume stehen wie vor 50 Jahren?
Rinaudo: Nun, als ich erstmals Niger im Jahr 1980 bereiste, waren praktisch alle Bäume schon weg. Landwirtschaft war da kaum möglich: Nichts stoppte die starken Winde, und die Setzlinge überlebten die Trockenheit nicht. Bäume aber sind wie Dünger: Sie locken Vögel und andere Tiere an, deren Exkremente den Boden düngen. Bäume sind auch Wasserquellen, denn ihre Wurzeln ziehen es aus der Tiefe und geben es an der Oberfläche über undichte Stellen wieder ab. Traditionell kommt so viel von ihnen: sie sind wie ein Supermarkt, ein Baumarkt und Medizinschrank zugleich.
Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee mit dem FMNR?
Rinaudo: Es ist keine neue Idee, sondern Jahrhunderte alt, auch in Deutschland: Wenn ein Baum geschlagen wird, kommt es zu Keimungen. Auch in Afrika gab es diese Tradition, aber mit dem Kolonialismus und modernen Landwirtschaftskonzepten ging das Wissen unter. Es gab sogar Programme von der Weltbank und US Aid, die das Entfernen von Baumstämmen förderten. Ich begann im Niger mit der Aufzucht neuer Bäume, zweieinhalb Jahre lang. Aber die meisten starben, das frustrierte mich sehr. Eines Tages brachte ich mit einem Pickup viele Baumsetzlinge zu einem Dorf. Auf dem Weg sah ich in der Ferne einen Busch, der mein Interesse weckte. Ich ließ ein wenig Druck aus den Reifen, um im Sand in der Länge mehr Auflagefläche zu kriegen, und fuhr hin. Zweieinhalb Jahre lang war ich diese Strecke immer wieder gefahren und hatte nie angehalten. Nun tat ich es. Anhand der Blätter sah ich: Das ist gar kein Busch, sondern ein Baum! Da blickte ich um mich und entdeckte hier und da Triebe, die aus dem Sand sprossen – unter der Wüste verbarg sich ein Wurzelwerk. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen – wir brauchen keine großen Projekte, keinen technologischen Voodoo: Alles was wir brauchen, ist schon da. Es muss nur gepflegt werden.
Dieser Moment der Eingebung – ist der vergleichbar mit jenem, als Sie im Herbst 2018 im Restaurant beschlossen einen Film über Herrn Rinaudo machen zu wollen, Herr Schlöndorff?
Schlöndorff: Nicht wirklich. Bei mir war es mehr frivol. Mich fragen immer die Leute: Warum hast du diesen Film gemacht, oder jenen – selbst bei Literaturverfilmungen. Dabei werden meist die Ideen an mich herangetragen, oder mir fällt ein Buch ein, das ich vor zehn Jahren gelesen habe und ich denke: Das ist genau die Situation, in der ich mich gerade befinde. Immer ist also Zufall mit im Spiel. Warum also Tony? Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte ich gerade Leerlauf. Ich war aber immer an Landwirtschaft interessiert: Ich bin auf dem Land aufgewachsen, und wir begleiteten nicht selten meinen Vater, wenn er als Arzt die Bauern zur Visite aufsuchte. Damals, vor 70 Jahren, hatte ein Landwirt nur einen Hektar Land, und das durch die Parzellierung verteilt. Er hatte eine Kuh für die Milch und für den Pflug, und ich erinnere mich noch, wie oft Frau und Tochter nebenher gingen, um die Kuh auf ihrem geraden Weg zu halten. Wenn ich heute nach Afrika fahre, sehe ich dort die gleichen Bilder wie in Deutschland vor 70 Jahren. Das heißt: Sowas kann verbessert werden, keine deutsche Bäuerin hält heute einen Pflug.
Hatten Sie in Ihrer Kindheit auch eine Baumpflege wie bei FMNR gesehen?
Schlöndorff: Ich erinnere mich nicht. Ich hatte aber einmal in Sizilien einen kleinen Hof mit 400 Olivenbäumen. Eines Jahres kam der Frühling sehr früh, das Wasser schoss in die Stämme – doch dann gab es einen schrecklichen Frost mit minus zehn Grad Celsius; alle Bäume starben. Sie wurden gefällt, und neue Bäume gepflanzt, ein Baum braucht aber 20 Jahre, bis er nutzbare Früchte trägt. Dann passierte etwas: Aus den alten Stämmen kamen Sprösslinge. Nicht einer oder zwei, sondern zehn, 15! Die Bauern ließen drei oder vier von ihnen wachsen, banden sie zusammen wie zu einem Busch – womit die Oliven auch einfacher zu ernten sind.
Die Bauern in Sizilien passten sich also der neuen Situation an. Und was sagen die Bauern in afrikanischen Ländern, wenn Sie ihnen von Wiederaufforstung erzählen, Herr Rinaudo?
Rinaudo: Zuerst nannten sie mich den verrückten weißen Bauern. Ihr ganzes Leben hatten sie gedacht: Ein guter Bauer ist ein sauberer Bauer, der die Bäume entfernt. Weltweit denken die meisten Bauern, dass die Bäume mit ihrer Ernte konkurrieren – und sie denken dass noch eher, wenn sie hungrig sind. Hinzu kam, dass die Bäume im Niger durch das Landrecht kein Privateigentum waren. Die Regierung hatte ein Gesetz erlassen, dass die Bäume Staatseigentum sind und dass bestraft wird, der dort Bäume fällt. Damit waren die Leute für die Bäume auf ihrem Land haftbar – und um dieser Verantwortung zu entgehen, haben sie sie gleich entfernt. Aber Bauern lernen voneinander. Ich überzeugte ein paar, es mit Bäumen zu versuchen – die Ernteergebnisse waren gut und ließen andere Landwirte nachziehen. Nun haben sich die Ernten verdoppelt, zuzüglich der Nahrung und Medizin, die sie selbst tragen.
Die Bäume waren wirklich keine Rivalen für die Bauern?
Rinaudo: Die Bauern entscheiden selbst, welche Bäume sie zulassen, wie viele und wie sie diese beschneiden. Sie haben die Kontrolle. Unsere Methode kostet nichts, sie ist schnell und kann in großem Stil angewandt werden – dies ist angesichts des Klimawandels dringend nötig.
Ein großes globales Problem ist die Hungerbekämpfung. Mancher würde nun sagen: Dafür brauchen wir mehr Landwirtschaft und mehr Flächen – keine Wälder. Was sagen Sie dem?
Rinaudo: Es ist falsch anzunehmen, dass massenhafte Monokulturen am produktivsten sind. Biodiverser Anbau ist viel erfolgversprechender gegen Hunger, er bietet so viele Dinge, und genau die brauchen Kleinbauern für ihre Ernährung und für ihr Leben. Im Niger lag ursprünglich die Getreideernte bei 300 Kilogramm pro Hektar und Jahr. Mit FMNR kann die Ausbeute verzehnfacht werden, und zwar ohne Bewässerung und Mechanisierung, welche arme Bauern sich kaum leisten können.
Schlöndorff: Tony, wie wirst du unseren Lehrfilm einsetzen, um Bauern von der Methode zu überzeugen?
Rinaudo: Wir können damit die Leute schneller und billiger erreichen – ich kann ja nicht immer in jedes Dorf kommen. Online-Training nimmt überall in der afrikanischen Landwirtschaft zu. Ich kriege mit, dass immer öfter Leute sich unsere FMNR-Website anschauen. Da kann solch ein Film die Methode sehr gut veranschaulichen. Und natürlich bei Workshops in den Dörfern.
Schlöndorff: Ja, man könnte dann zuerst den Film zeigen und dann die sich ergebenden Fragen abarbeiten – entlang der Kapitel des Films. Anfangs dachte ich, der Film wird über zwei Stunden lang werden. Aber das lässt sich gut verdichten. Man könnte ihn intervallweise vorführen – wie bei einer Salami: je dünner sie geschnitten wird, desto besser schmeckt sie.
In Melbourne wird es Abend, Rinaudos Ehefrau Liz kommt ins Bild und grüßt. Die drei reden noch weiter, über die Brände in Kalifornien, die bereits eine Waldfläche von der Größe Sachsens verheert haben, „ich könnte weinen“, sagt Rinaudo, und über den Berliner Grunewald, dessen Bäume auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Am Ende sagt Schlöndorff, dass er den Kinofilm über Rinaudo auf jeden Fall fertigmachen werde, auch wenn die Finanzierung immer noch nicht gesichert ist. „Es wird schon klappen“, sagt er. „Es muss.“