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Von Clare Crowe Pettersson, Journalistin, & Lena Bassermann, TMG Think Tank for Sustainability
Der Ausschuss für Welternährungssicherheit (CFS) der Vereinten Nationen hat neue politische Empfehlungen für die Nutzung von Daten und digitalen Technologien im Zusammenhang mit globaler Ernährungssicherung verabschiedet. Wie geht es damit nun weiter?
"Keine Daten ohne politische Beteiligung", fordert Nachiket Udupa, Mitglied der indischen Alliance for Sustainable and Holistic Agriculture. Im Vorfeld der 51. Plenarsitzung des Welternährungsrates der Vereinten Nationen (Committee on World Food Security, CFS), die Ende Oktober in Rom stattdfand, trafen sich Nachiket Udupa und weitere Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, um über Herausforderungen und Chancen datengestützter Technologien im Zusammenhang mit Ernährungssystemen zu diskutieren. Das Forum, das von TMG Research gGmbH mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstaltet wurde, diskutierte Beispiele inklusiver Digitalisierungsprozesse sowie menschenrechtsbasierter digitaler Tools.
Die Frage, welchen Beitrag digitale Technologien zur Transformation von Ernährungssystemen leisten können, bringt eine weitere Dimension der Komplexität in die ohnehin schon kontroverse Diskussion über die Richtung der Transformation. Sie haben einerseits das Potenzial, zu innovativen Lösungen für drängende globale Herausforderungen beizutragen, bergen aber auch die Gefahr, Ungleichheiten in Ernährungssystemen zu verfestigen. Die jüngst verabschiedeten Politikempfehlungen des CFS, die das Ziel haben, die Erhebung und Nutzung von Daten für Ernährungssicherheit zu stärken, sind der erste Versuch, die Auswirkungen der Digitalisierung auf Ernährungssysteme in politische Handlungsempfehlungen zu fassen.
"Wir befinden uns in einer ungleichen Welt, in die wir digitale Instrumente einführen", merkt K.J. Joy, Senior Fellow bei der Society for Promoting Participative Ecosystem Management (SOPPECOM) in Indien an. Häufig gilt das Schließen von Datenlücken als Patentrezept zur Überwindung von Hunger. Alleine die Verfügbarkeit von mehr Daten sowie eine fortschreitende Digitalisierung bekämpfen jedoch nicht automatisch die strukturellen Ursachen von Hunger und Mangelernährung sowie die dahinterliegenden Machtstrukturen, die sich ebenfalls in digitalen Systemen wiederspiegeln.
Wir brauchen also nicht mehr Daten, sondern bessere Daten, die repräsentativer sind für die Situation der am stärksten von Hunger und Armut betroffenen Menschen weltweit sind – anstatt Muster der Marginalisierung und Diskriminierung zu verfestigen.
Es ist daher entscheidend, dass sich Fragen der Erhebung und Verwendung von Daten sowie rund um Digitalisierung an der Verwirklichung von Menschenrechten orientieren und dazu beitragen, lokale Gemeinschaften in die Lage zu versetzen, ihre eigene Ernährungs- und digitale Zukunft zu gestalten.
„Das Fehlen eines geeigneten Rechtsrahmens hat Produzent*innen von Nahrungsmitteln weltweit in Gefahr gebracht. Digitale Tools, die auf kleinbäuerliche Lebensmittelproduzent*innen zielen, haben einen neuen Markt für die Datenextraktion durch privatwirtschaftliche Akteure geschaffen. Je mehr Daten ein Unternehmen anhäufen kann, desto mehr wirtschaftliche und politische Macht hat es", sagt Patti Naylor, eine amerikanische Landwirtin und Koordinatorin der zivilgesellschaftlichen Arbeitsgruppe des "Civil Society and Indigenous People's Mechanism“ für Verbindungen mit dem CFS" (CSIPM) zum Thema Daten. "Es handelt sich um eine neue Art von Reichtum, der aus lokalen Gemeinschaften herausgeholt wird. So wie die menschliche Arbeitskraft und der Reichtum der natürlichen Ressourcen ausgebeutet wurden, so sind jetzt die Daten dieser neue Reichtum." Oder wie Nachiket Udupa sagt: "Daten sind das neue Öl".
„Aus der Perspektive des Rechts auf Nahrung können wir nicht zulassen, dass Daten großen Produzenten und Unternehmen zugute kommen und lokale Produzenten und Gemeinschaften entmachtet werden. Es ist sehr wichtig, dass diese politischen Empfehlungen jetzt umgesetzt werden,“
... sagt der damalige Vorsitzende des CFS, S.E. Botschafter Gabriel Ferrero y de Loma-Osorio, der an der TMG-Diskussion teilnahm und auf die Forderungen der zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen einging.
Dass es auch anders geht, berichteten Vertreter*innen sozialer Bewegungen aus Kenia, Indien und Südafrika während des Forums. Sie zeigten, wie sie mit lokalen Gemeinschaften digitale Tools und soziale Innovationen als Hebel für positive Veränderungen in Ernährungssystemen einsetzen. Damit gaben sie auch einen Ausblick darauf, wie die Umsetzung der Empfehlungen gelingen kann.
Violet Shivutse, Gründerin und Koordinatorin der Shibuye Community Health Workers in Kenia, berichtete, wie die gemeinsam mit der Kenya Land Alliance, TMG und Rainforest Alliance UK entwickelte Haki Ardhi App dabei hilft, Verstöße gegen die Landrechte von Frauen zu melden, ihre Rechte zu schützen und die entsprechenden Institutionen und Politiken zu stärken. "In vielen Diskussionen glauben die Menschen nicht an das Potential von lokalen Gemeinschaften", sagt Violet. "Wir müssen daher dringend anfangen, in die Unterstützung derjenigen zu investieren, die sich bereits organisieren und zum Ziel haben, politische Entscheidunsträger*innen zur Rechenschaft ziehen." Ein erster wichtiger Schritt ist, dass Menschen über ihre eigenen Daten verfügen können und sie damit besser zum Dialog auf lokaler, aber auch auf globaler Ebene nutzen können zur Verbesserung von Struturen.
Welche Lehren lassen sich aus den Erfahrungen der Menschen ziehen, die weltweit besonders von den sich verschärfenden Krisen betroffen sind? Ausgehend von den unterschiedlichen Erfahrungen, die die Teilnehmenden des Forums einbrachten, entwickelten sie Leitprinzipien, die sicherstellen sollen, dass Daten und Digitalisierung zu positiven Veränderungen beitragen.
Insgesamt bleibt abzuwarten, ob und wie Regierungen weltweite die neuen CFS-Empfehlungen umsetzen. Doch auch wenn die neuen Politikempfehlungen freiwillig und unverbindlich sind, stellen sie doch eine Weiterentwicklung sowie eine Grundlage dar für die weitere Diskission darüber, wie eine inklusive Digitalisierung gestaltet sein kann, die die Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen erfüllt und zur globalen Ernährungssicherheit beiträgt.
Globale Ernährungssysteme sind von Machtasymmetrien geprägt. Damit jedoch möglichst viele Menschen weltweit von Digitalisierung profitieren können, sollte der Fokus auf den Rechten der am stärksten marginalisierten Menschen, insbesondere von Frauen, indigenen Völkern und kleinbäuerlichen Produzent*innen. Basisbewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen am Entscheidungstisch sitzen, um mitzuentscheiden, welche Art von Daten benötigt wird, und um alternative Visionen dafür zu entwickeln, wie digitale Technologien zu ihrem Nutzen eingesetzt werden können. Globale Governance-Strukturen, die zu einer inklusiven Digitalisierung beitragen können dazu beitragen, Ernährungssysteme zum Besseren zu verändern.