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Warum wir Gesetze brauchen, damit Ausbeutung in globalen Lebensmittelketten gestoppt wird. Durch die Corona-Pandemie hat der Gang zum Supermarkt eine ganz neue Bedeutung bekommen. Trotz Hamsterkäufen mussten sich die Menschen in Deutschland jedoch keine Sorgen um ihr Essen machen. Auch wenn einzelne Produkte kurzzeitig fehlten, waren die Regale insgesamt gut gefüllt.
Unsere lückenlose Versorgung mit Lebensmitteln hat allerdings eine düstere Kehrseite: Leid, Ausbeutung und Diskriminierung sind in den Lieferketten deutscher Supermärkte an der Tagesordnung. Oxfam zeigt seit Jahren immer wieder auf, wie diese Konzerne durch Preisdruck und unfaire Verträge gegenüber Zulieferern dazu beitragen, dass Menschen auf Teeplantagen im indischen Assam oder Obstplantagen in Ecuador und Costa Rica unter unwürdigen Arbeitsbedingungen leiden. Unsere Fallstudien zu Lebensmitteln wie Tee, Trauben und Wein oder tropischen Früchten wie Bananen und Ananas zeigen: In Südamerika, Afrika und Asien müssen Arbeiter*innen für Hungerlöhne und unter gesundheitsschädlichen Bedingungen täglich bis zu 12 Stunden schuften. Die Corona-Pandemie hat diese Situation noch verschärft: Social Distancing und Homeoffice sind für Plantagenarbeiter*innen und Kleinbäuer*innen keine Option. COVID-19 gefährdet sie besonders, denn beim Pflücken kommen sie über Jahre mit giftigen Pestiziden in Berührung, die unter anderem chronische Atemwegserkrankungen auslösen.
In Reaktion auf diese Fallstudien und damit verbundenen öffentlichen Druck gab es punktuelle Fortschritte für die Arbeiter*innen auf Obstplantagen. Keiner der kritisierten Supermärkte hat jedoch sein auf Dumpingpreisen basierendes Geschäftsmodell geändert. Oxfams Supermarktcheck soll Unternehmen dabei helfen, das zu tun.
Seit 2018 analysiert Oxfams jährlich erscheinender Supermarkt-Check die Menschenrechtspolitik der größten Supermarktketten in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und den USA. Auf Grundlage internationaler Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den Leitfäden der OECD hat Oxfam dafür knapp 100 Bewertungskriterien entwickelt.
Der Supermarkt-Check bewertet vier Themen: Transparenz und Unternehmensführung, Achtung von Arbeitnehmer*innenrechten bei Lieferanten, Umgang und Handelsbeziehungen mit Kleinbäuer*innen sowie Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte. Als Maßstab dienen dabei öffentlich zugängliche Informationen in Nachhaltigkeitsberichten und auf Websites.
In seinem dritten Jahr zeigt Oxfams Supermarkt-Check vor allem eins: Es geht! Supermärkte können ihre Geschäftspolitiken ändern und stärker auf die Rechte derjenigen Menschen in aller Welt ausrichten, die Lebensmittel anbauen und ernten.
Es geht aber nicht ohne Druck. Nicht umsonst ist der Konzern, der in Deutschland am besten abschneidet, Lidl, den Oxfam bereits seit zehn Jahren mit Kampagnen und in Fallstudien adressiert.
Unter den deutschen Supermärkten hat Lidl dieses Jahr einen Sprung nach vorn getan und sich von neun Prozent der Gesamtpunktzahl im Vorjahr auf 31 Prozent gesteigert. Auch Aldi Süd und Rewe haben einiges in ihrer Menschenrechtspolitik verbessert und jeweils 25 Prozent der Gesamtpunktzahl erreicht. Aldi Nord hat ebenfalls Fortschritte gemacht und kommt auf 18 Prozent. Damit liegen diese drei Supermärkte im Mittelfeld des Supermarkt-Checks.
Wie bereits 2019 hat sich Edeka dagegen kaum bewegt und bildet mit mageren drei Prozent das Schlusslicht – sowohl in Deutschland als auch im internationalen Vergleich.
Internationale Vorreiter sind weiterhin die britischen Supermarktketten: Tesco und Sainsbury‘s holen 46 und 44 Prozent der Gesamtpunktzahl – erreichen also nicht einmal die Hälfte aller möglichen Punkte.
Das Zwischenfazit lautet damit: Veränderungen ja, Wendepunkt nein. Alle Supermarktketten sind noch weit entfernt von einer hundertprozentigen Ausrichtung auf Menschenrechte. Trotz mancher Fortschritte tun Supermärkte immer noch zu wenig gegen die Ausbeutung der Menschen, die das Essen in ihren Regalen produzieren.
Aldi Süd und Nord, Lidl und Rewe veröffentlichen mittlerweile Risikoanalysen zu Menschenrechtsverletzungen beim Anbau ihrer Produkte weltweit. Lidl macht darüber hinaus einen Großteil seiner direkten Zulieferer publik. Dies ermöglicht Arbeiter*innen und Gewerkschaften in den Produktionsländern, das Unternehmen direkt anzusprechen, wenn Missstände bei den Zulieferern vorliegen: Ein Meilenstein, behaupteten doch viele Unternehmen bisher, dass es nahezu unmöglich sei, Transparenz über globale Lieferketten herzustellen.
Aldi Süd und Nord und Lidl haben sich außerdem dazu verpflichtet, für Risikoprodukte zusammen mit Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft vor Ort Risikoanalysen und Aktionspläne zu erarbeiten, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Maßnahmen bringen nicht nur Verbesserungen für die Arbeiter*innen vor Ort, sondern bedeuten auch einen Paradigmenwechsel, denn bisher hatten sich die Discounter geweigert, in einen ernsthaften Dialog mit Gewerkschaften vor Ort einzutreten.
Im Januar 2020 haben zahlreiche deutsche Einzelhandelsunternehmen eine Selbstverpflichtung zur Durchsetzung existenzsichernder Löhne und Einkommen in globalen Lieferketten unterzeichnet. Darunter waren auch Lidl, Rewe und Aldi – Edeka jedoch nicht. Für ihre bloße Unterschrift haben Supermärkte allerdings keine Punkte bekommen; dazu sind die öffentlichen Informationen über die konkrete Umsetzung der Initiative nach Oxfams Einschätzung zu spärlich. Lidl hat über die Selbstverpflichtung hinaus bereits in Brasilien, Ghana und Ecuador konkrete Projekte zur Zahlung eines existenzsichernden Lohns gestartet. Rewe punktet mit der Zusage, jährlich öffentlich über den Fortschritt in diesem Bereich zu berichten.
Alle Supermarktketten, mit Ausnahme von Edeka, führen Projekte mit Kleinbäuer*innen durch, bei denen diese durch besseres Know-how höhere Einkommen erzielen können.
Bis auf Edeka haben auch alle endlich ihre Politik zu Frauenrechten verbessert: Lidl hat unter anderem die UN Women Empowerment Principles, internationale Grundsätze zur Stärkung von Frauen in Unternehmen, unterzeichnet und sich damit verpflichtet, sowohl in all seinen Niederlassungen weltweit als auch bei seinen Lieferanten Frauen zu unterstützen und für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen. Aldi Süd und Nord haben sich verpflichtet, eine spezielle Risikoanalyse zusammen mit Frauen vor Ort für drei Risikoprodukte durchzuführen. Rewe unterstützt Kleinbäuerinnen in Ghana dabei, höhere Einkommen zu erzielen.
Insgesamt setzen deutsche Supermarktketten jedoch immer noch zu sehr auf fragwürdige Siegel, beispielsweise der Organisation Rainforest Alliance. Zahlreiche Studien von zivilgesellschaftlichen Organisationen, unter anderem Oxfam, belegen seit Jahren, dass diese Siegel nicht ausreichen, um Menschenrechte zu schützen.
Trotz grundlegender Fortschritte deutscher Supermarktketten erzielen die britischen Konzerne mit den Spitzenreitern Tesco und Sainsbury‘s immer noch die besten Ergebnisse. Warum? Zunächst arbeiten beide schon länger daran, ihre Geschäftspolitiken an Menschenrechten auszurichten und haben auch bei herausfordernden Themen bereits einiges bewirkt. So setzt sich Tesco seit einiger Zeit bei seinen Zulieferern in Lateinamerika proaktiv für die Selbstorganisation der Arbeiter*innen ein. Mit Erfolg: In Peru zum Beispiel hat jeder von Tescos Zulieferern eine Arbeitnehmervertretung.
Darüber hinaus mag ein Grund für die vergleichsweise hohe Punktzahl der UK Modern Slavery Act sein, ein Gesetz, nach dem Unternehmen über Vorkommnisse von und Maßnahmen zu modernen Formen der Sklaverei in ihren Lieferketten berichten müssen. Letztendlich haben aber auch die britischen Supermarktketten nicht einmal 50 Prozent der Gesamtpunktzahl erreicht.
Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel halten die Schwarzgruppe (Lidl und Kaufland), Aldi, Rewe und Edeka 85 Prozent der Marktanteile. Damit kommt kein Hersteller, der im deutschen Markt Lebensmittel in nennenswerter Größenordnung verkaufen will, an ihnen vorbei. Die Konzerne haben damit die Macht, ihren Lieferanten Preise und Konditionen zum eigenen Vorteil zu diktieren. Und das geht auf Kosten der Löhne von Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen in Anbauländern des Globalen Südens. Um ihre Situation substanziell zu verbessern, wäre eine Veränderung in der Preispolitik entscheidend. Im Januar 2020 warb Edeka jedoch mit dem Slogan „Wir streichen die Preise“ für Billigpreise, ein paar Monate später zog Aldi mit einer „Preis, Preis, Baby“-Kampagne nach.
Die aggressive Werbung mit Billigpreisen führt zu einer Abwärtsspirale, da Verbraucher*innen so noch stärker auf den Preis achten. Am Ende zahlen die Arbeiter*innen in den globalen Lieferketten für den Preiskampf: Ohne eine faire Verteilung der Kosten für höhere Sozialstandards wird es keine existenzsichernden Löhne und Einkommen für sie geben.
Beim Indikator Einkaufspolitik, der bewertet, ob Supermarktketten die Auswahl ihrer Lieferanten nicht nur nach niedrigen Preisen, sondern auch nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen treffen, hat bisher keins der untersuchten Unternehmen gepunktet. Zwar behaupten Aldi Süd und Nord, Lidl und Rewe, dass sie ihre Einkaufspolitik mit Vorgaben zur Einhaltung der Menschenrechte versehen, konkrete Belege liefern sie jedoch nicht – ebenso wenig wie Tesco und Sainsbury‘s.
Trotz der genannten Fortschritte tun Supermärkte nach wie vor nicht genug, um eine Ausbeutung der Menschen zu verhindern, die die Lebensmittel in ihren Regalen produzieren. Damit Konzerne wie Edeka sich nicht mehr um ihre Verantwortung drücken können, braucht es eine verbindliche Grundlage: Ein Lieferkettengesetz, das Supermarktketten und alle transnational tätigen Unternehmen in die Pflicht nimmt. Nur ein solches Gesetz kann sicherstellen, dass es nicht der Willkür der Konzerne überlassen bleibt, ob sie Menschenrechte in ihrer Lieferkette achten. Ein gesetzlicher Rahmen ist darüber hinaus auch eine Voraussetzung für wirksamen Umweltschutz durch Unternehmen im Ausland. Oxfam ist deshalb Teil der Initiative Lieferkettengesetz, die einen konkreten Vorschlag für ein deutsches Gesetz erarbeitet hat.
Außerdem fordert Oxfam, dass Deutschland endlich seine Chance nutzen muss, für mehr Fairness im Lebensmittelhandel, das heißt für faire Lieferbedingungen in der Lebensmittellieferkette und ein Ende des Verkaufs von Lebensmitteln zu Dumpingpreisen zu sorgen. Nur so kann langfristig verhindert werden, dass Einzelhändler ihre Kosten auf Lieferanten abwälzen und die Einhaltung von Menschenrechten unterbinden. Die EU-Richtlinie (2019/633), die unfaire Handelspraktiken wie zum Beispiel die kurzfristige Stornierung von Lieferverträgen verbietet, muss mit solchen Vorschriften ins deutsche Recht umgesetzt werden, die ihr vollumfängliche Wirksamkeit verleihen. Das heißt, dass mindestens unfaire Handelspraktiken umfassend verboten als auch mit Fachwissen ausgestattete Behörden wie das Bundeskartellamt mit deren Durchsetzung betraut werden. Nur so werden Unternehmen Geschäftspolitiken auflegen können, die mit der Globalisierung im 21. Jahrhundert Schritt halten und nicht auf Kosten der Menschen in Anbauländern gehen.