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Auf der Nebenveranstaltung des „Nutrition for Growth" (N4G)-Gipfels vom 7. bis 8. Dezember 2021 in Tokyo werden integrierte Bewertungsinstrumente für die Transformation von Lebensmittelsystemen unter die Lupe genommen.
Die Entscheidung, welche Lebensmittel wir täglich zu uns nehmen, wird von einer Reihe von Faktoren bestimmt, darunter unsere wirtschaftliche Situation, unser kultureller Hintergrund und unsere persönlichen Vorlieben. Zusammengenommen haben diese und andere individuelle Entscheidungen tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert und verteilt werden, und letztlich auf unsere Gesundheit, unsere Lebensgrundlagen und die natürliche Umwelt.
Schätzungen zufolge ist die heutige Agrar- und Ernährungswirtschaft für etwa 24 Prozent der freigesetzten Treibhausgase und 70 Prozent der entnommenen Süßwassermenge verantwortlich.
Der größte Teil der Abholzung von Tropenwäldern und des Verlusts der biologischen Vielfalt wird durch Landwirtschaft verursacht, welches auch das Risiko für künftige Pandemien erhöht.
Gleichzeitig waren im Jahr 2020 weltweit zwischen 720 und 811 Millionen Menschen von Hungersnot betroffen, was einem Anstieg von mehr als 160 Millionen in nur einem Jahr entspricht. Bei den derzeitigen Lebensmittelpreisen können sich mindestens drei Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten. Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wenig nachhaltig, anfällig und geradezu „grotesk ungerecht“ unsere Lebensmittelsysteme sind.
Der Marktwert von Lebensmitteln wird weltweit auf etwa neun Billionen US Dollars, geschätzt, doch die externen Kosten für Umwelt und Gesellschaft sind mit 19,8 Billionen US Dollars fast doppelt so hoch. Das bedeutet, dass die Lebensmittel, die wir kaufen, etwa ein Drittel dessen kosten, was sie kosten würden, wenn man die Kosten für die Gesellschaft – wie Umweltschäden oder Gesundheitskosten – mit einbezieht. Auch wenn dies zu einer gewissen Verhaltensänderung führen kann, ist es unwahrscheinlich, dass eine einfache Erhöhung der Lebensmittelpreise das Problem der ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen unserer verzerrten Lebensmittelsysteme lösen kann.
Wie können wir unsere Lebensmittelsysteme so transformieren, dass sie nachhaltiger und resilienter werden und gleichzeitig eine gesunde Ernährung für alle ermöglichen?
Diese Frage wurde auf der Nebenveranstaltung „Counting the True Cost“ des „Nutrition for Growth“ (N4G)-Gipfels 2021 lebhaft diskutiert: Wie eine bessere Ernährung für alle möglich ist, wenn man die tatsächlichen Kosten von Lebensmitteln kennt. Obwohl True Cost Accounting (TCA) noch in den Kinderschuhen steckt, konnten die auf der Veranstaltung vorgestellten Fallstudien für TCA veranschaulichen, wie TCA-Bewertungen dazu beitragen, den Wert aller vier Kapitale zu ermitteln: Natur-, Human-, Produktions- und Sozialkapital. COMACO, ein soziales Unternehmen in Sambia, bietet beispielsweise durch die Förderung regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken eine bessere Lebensgrundlage und leistet so einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz. Durch die Schaffung von Zugängen zur Nutzung vielfältiger Marktchancen für Landwirte trägt das Projekt auch zu höheren wirtschaftlichen Erträgen bei.
TMG Research und WWF stellten auf der Veranstaltung ihren kürzlich veröffentlichten Bericht True Cost Accounting and Dietary Standards vor. Dieser Bericht enthält praktische Hinweise für politische Entscheidungsträger und andere Interessenvertreter, wie Anreize für einen nachhaltigen und gesunden Lebensmittelkonsum geschaffen werden können, ohne die planetarischen Grenzen zu überschreiten.
Vertreter des Privatsektors erläuterten auf dem Side Event, wie sie damit begonnen haben, TCA zu nutzen, um die Nachhaltigkeit ihrer Portfolios zu bewerten. Einige Unternehmen nutzen TCA-Analysen auch, um ihre Kunden und Geschäftspartner zu motivieren, in nachhaltigere Produkte und Unternehmen zu investieren.
Viele Referenten stimmten darin überein, dass es viel wirksamer ist, Verhaltensänderungen durch Anreize herbeizuführen als durch Strafmaßnahmen. Bei der Diskussion über die Erhebung der Zuckersteuer wurde beispielsweise festgestellt, dass viele Unternehmen einfach andere Zuckeraustauschstoffe verwenden, die noch schädlicher sein können als normaler Zucker. Die in den USA ansässige Wholesome Wave Foundation ist ein Beispiel für eine anreizbasierte Politik, die positive Verhaltensänderungen bewirkt hat. Mit diesem Programm werden Haushalte mit geringem Einkommen für den Kauf von frischen Lebensmitteln und Gemüse auf Bauernmärkten belohnt. Eine kürzlich durchgeführte Analyse eines Pilotprojekts zum US-Agrargesetz (US Farm Bill), bei dem das Anreizprogramm auf Lebensmittelgeschäfte ausgeweitet wurde, ergab, dass die Obst- und Gemüsekäufe im Vergleich zu Geschäften, die nicht an dem Programm teilnahmen, um durchschnittlich fünf Prozent zunahmen.
Wie Untersuchungen zeigen, gibt es immer mehr Unternehmen, die bestrebt sind, ihr Nachhaltigkeitsportfolio zu verbessern. Vorrangig geht es jedoch um die Verbesserung unternehmensinterner Kennzahlen im Vergleich zu einem Branchenstandard oder einem internen Standard. Nur sehr wenige Unternehmen stellen derzeit ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage, indem sie sich mit Themen wie: „Ist es überhaupt sinnvoll, dass mein Unternehmen in seiner jetzigen Größe oder auch mit dem derzeitigen Angebot weiterbesteht, wenn der Schwerpunkt auf gesunden und nachhaltigen Ernährungsgewohnheiten liegt?“ auseinandersetzen.
Im Bericht von TMG/WWF heißt es, dass das Transformationspotenzial von TCA nur ausgeschöpft werden kann, wenn die Politik den Schwerpunkt stärker auf den Verbrauch (oder die Nachfrageseite) unserer Lebensmittelsysteme legt. Durch eine derartige Schwerpunktsetzung würde man versuchen, die unbeabsichtigten Folgen von „billigen Lebensmitteln“ zu verringern, indem man unsere ungesunden Ernährungsgewohnheiten, die nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und zu übermäßigem Konsum und Lebensmittelverschwendung beitragen, ins Visier nimmt und gleichzeitig den Zugang zu angemessenen und nahrhaften Lebensmitteln für alle einschränkt.
Durch die Möglichkeit einer integrierten Analyse unserer Lebensmittelsysteme eignet sich TCA auch als Organisationsinstrument für den Aufbau von „Allianzen des Wandels“ zur Transformation des Lebensmittelsektors.
So gibt es beispielsweise in über 100 Ländern nationale Ernährungsrichtlinien, doch nur wenige davon behandeln Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit, der gesellschaftlichen Fürsorge oder des Rechts auf Nahrung. Die in TCA-Studien gesammelten Daten und Analysen können für viele unterschiedliche Interessenvertreter und -gruppen eine kohärente Botschaft vermitteln und einen organisatorischen Rahmen bieten.
Die Veranstaltung wurde unter der Schirmherrschaft des Projekts "Future Food Together" organisiert. Das Projekt ist Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI), die vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unterstützt wird.