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Für Kleinbäuer*innen ist es oft schwierig, eine finanzielle Förderung zu erhalten. Doch mit einer nigerianischen Fintech-App soll das jetzt anders werden: Die Fintech-Plattform Vetsark läuft bereits seit fünf Monaten. Gründer Blessing Mene darüber, was seine App bietet – und über die Möglichkeiten und Grenzen der Agrarfinanzierung.
Wie wichtig ist die Landwirtschaft für Nigeria?
Die nigerianische Wirtschaft ist vom Agrarsektor abhängig.
Landwirtschaft ist in Afrika ein großes Thema. Nach wie vor wird der überwiegende Teil der Einkünfte der lokalen Bevölkerung durch die Landwirtschaft erzielt.
Und wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich bin in einer Bauernfamilie aufgewachsen, und mein Vater ist Landwirt, auch heute noch. Meine Mutter ist ebenfalls Landwirtin, und seit ich ein Kind war, haben sie das neben ihren Vollzeitjobs gemacht. Am Anfang haben meine Eltern auf den Feldern gearbeitet, denn die Futterkosten für die Tiere machen mehr als 80 % der Gesamtkosten aus. So erwachte schließlich mein Interesse an der Landwirtschaft. Ich kenne mich auch mit Chemie aus und habe ein paar Kurse in Veterinärmedizin besucht. Meine größte Leidenschaft gilt jedoch der Lösung von Problemen unter dem Gesichtspunkt des Systemwandels. Ich habe mich mit Mangosamen, Wasserhyazinthen und der schwarzen Soldatenfliege beschäftigt – wo ich von Ashoka bzw. von USAID Nigeria unterstützt wurde. Und dann mit dem Thema Tiergesundheit weitergemacht: Wie können wir Digitalisierung nutzen, um Tiere besser vor Krankheiten zu schützen und ihr Wohlbefinden zu fördern? Ein großes Problem, mit dem sich Viehzüchter konfrontiert sehen und das sie um ihr Einkommen bringen kann. Ich bin tiefer in dieses Thema eingestiegen, und irgendwann wurde unsere Idee, das Ganze digital umzusetzen, von der Regierung angenommen. Danach habe ich mich gefragt: Okay, und wie geht es jetzt weiter? Das Thema Finanzierung von landwirtschaftlichen Betrieben ist sehr wichtig. Und so bin ich schließlich zur Agrarfinanzierung gekommen.
Warum ist das Thema Fundraising für landwirtschaftliche Betriebe in Nigeria so wichtig und warum ist es für Landwirte so schwierig, an Finanzmittel zu kommen?
Dieses Problem besteht schon seit Jahrzehnten. Einer der Gründe, warum der Zugang zu Krediten so schwierig ist, ist die Frage, die sich Banken und Kreditgeber stellen: „Lässt sich damit genügend Gewinn erzielen, und das möglichst schnell?“. Man will in rentable Unternehmen investieren. Der Erdölsektor ist ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft. Daher investiert man lieber beispielsweise in Rohöl, weil die Umschlagzeiten kurz sind und sich hohe Gewinne erzielen lassen. Der Immobiliensektor ist in diesem Teil der Welt ein weiterer geldbringender Wirtschaftszweig, sodass man glaubt, dass es nicht viel Sinn macht, in die Landwirtschaft zu investieren. Andererseits haben sich diese Leute auch schon die Finger verbrannt. Sie haben in die Landwirtschaft investiert und dabei Geld verloren. Ich denke auch, dass es sich hier um ein kulturelles Problem handelt. Die Menschen haben das Gefühl, dass die Inanspruchnahme eines Kredits oder einer staatlichen Finanzierung bedeutet, ein Stück vom nationalen Kuchen abzuschneiden. Sie betrachten diese Mittel eher als Zuschüsse oder Spenden.
Um mögliche Investoren zu überzeugen, braucht es also Erfolgsgeschichten?
Obwohl viele Mittel in die Finanzierung der Landwirtschaft geflossen sind – von der Weltbank bis hin zur nigerianischen Zentralbank –, wird dieser Sektor noch immer stark vernachlässigt, obwohl er doch viele Chancen bietet.
Und welche Hürden gibt es für Landwirte, um auf Ihre App zuzugreifen?
Um die App zu nutzen, muss man lesen können und einen digitalen Zugang haben. Außerdem muss man im Bankensystem registriert sein oder zumindest über Unterlagen verfügen, die es ermöglichen, im System registriert zu werden. Und nicht zu vergessen: das Bewusstsein für diese Technik. Damit meine ich, dass man sich mit der App auskennt und weiß, wie man davon profitieren kann.
Ist es für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Nigeria einfach, ein Bankkonto zu eröffnen?
Ein Bankkonto zu eröffnen, dürfte nicht allzu schwer sein. Es zu führen, dürfte jedoch eine Herausforderung sein. Die meisten Transaktionen laufen nach wie vor über Bargeld. Es wäre also eine erhebliche Verhaltensänderung vonnöten. Allerdings werden neue Technologien in den letzten zehn Jahren immer besser angenommen, was darauf zurückzuführen ist, dass sich die Kundenpräferenzen verbessert haben, die Internetverbreitung zugenommen hat und die Kosten für Smartphones gesunken sind.
Und was bietet die App den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern?
Zunächst einmal ein Bankkonto. Damit erhalten sie eine digitale Identität. Das heißt, sie haben jetzt Zugang zum Finanzsektor und können ihre Transaktionen über ein Konto abwickeln. Außerdem können sie über die App einen Bankkredit beantragen und haben sowohl Zugang zu finanziellen Mitteln als auch zu Pflanzmaterial. Beides benötigen sie, um ihren Betrieb zu führen.
Der wichtigste Vorteil ist jedoch, dass Sie zehnmal schneller auf die finanziellen Mittel zugreifen können, als dies bei einer Bank möglich wäre.
Wenn man einen Kredit direkt bei der Bank beantragen will, muss man normalerweise einige Formulare ausfüllen, einen Geschäftsplan vorlegen ... einfach eine Menge Papierkram. Hinzu kommt, dass man das Bankkonto wahrscheinlich schon sechs Monate geführt haben muss. Einer unserer Neukunden erzählte uns, dass es vier Jahre gedauert hat, bis ihm die Bank of Agriculture einen Kredit gewährte. Ich glaube, es ging um einen Betrag von 5.000 USD. Und so darf das einfach nicht laufen. Mit unserem System sollte das viel schneller gehen.
Aktuell haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass die Kreditsumme binnen drei, vier Wochen bereitgestellt wird. Bei unseren Top-Kunden sogar schon innerhalb von 24 Stunden. Was wir nicht wollen, ist, dass die Menschen kämpfen müssen, um an Geld für ihren Betrieb zu kommen.
Läuft die App bereits?
Wir haben erst vor einigen Monaten die Zusammenarbeit mit einer der größten nigerianischen Banken aufgenommen, um unser Backend in ihre eigene Bankinfrastruktur zu integrieren. Sie haben uns Zugang zu ihrem Backend gegeben, und so können wir unseren Kunden nun Konten bei diesen Banken zur Verfügung stellen. Diese Integration wurde Ende April abgeschlossen.
Nehmen Landwirte bereits Kredite über die App auf?
Zunächst einmal haben wir die Prozesse eingeführt und alles offline eingerichtet, um zu prüfen, was funktioniert und was nicht. Wir haben eine separate App mit dem Namen Cleva Farm Management, die über cleva.org verfügbar ist. Bislang konnten wir einer Reihe von landwirtschaftlichen Betrieben und Agrarunternehmen helfen, im Durchschnitt 1.500 USD pro Kunde erhalten.
Und wir hoffen, dass wir unsere Zahlen jeden Monat um mindestens 50 % steigern können.
Bis jetzt haben wir unser Geld und die Mittel, die wir den Betrieben zur Verfügung gestellt haben, zu 100 % zurückbekommen. Dies wollen wir mit unserer App noch weiter ausbauen.
Bekommen Sie eine Art Provision oder gibt es eine Mitgliedsgebühr?
Für die Abschlüsse erhalten wir eine Provision in Form einer Pauschalgebühr. Wenn wir beispielsweise einen Kredit mit einem Volumen von 1.000 oder 2.000 USD vermitteln, erhalten wir normalerweise eine Provision von 5 %.
Was bieten Sie außer der Vergabe von Krediten an Landwirte noch an?
Wir gehen von vier verschiedenen Gesichtspunkten aus.
Es geht darum, das richtige Pflanzmaterial, die richtigen Sorten und die richtige Qualität zu bekommen, damit das Geld nicht für falsches Saatgut vergeudet wird.
Im zweiten Teil geht es um die Produktion selbst, also um Schulungsangebote und technische Unterstützung, um sicherzustellen, dass die Landwirte das tun, was für ihre Betriebe gut und richtig ist. Zudem ist es wichtig, Wissensdefizite zu überwinden. Beim dritten Punkt geht es um den durch den Zugang zu den Märkten entstehenden Handel und darum, sicherzustellen, dass die Erträge nach der Ernte nicht vergeudet werden, weil sie entweder nicht verkauft oder nicht entsprechend verteilt werden können.
Und geht das Hand in Hand? Man kann also auch auf die anderen Teile zugreifen, wenn man in der App registriert ist und einen Kredit erhält?
Mit der App hat man beispielsweise auch Zugang zu Pflanzmaterial. In der Regel passiert das innerhalb unseres eigenen Ökosystems: Unser Landwirt holt das Pflanzmaterial bei unserem Großhandelspartner ab, der sich in derselben Gemeinde befindet. Und verkauft es dann in derselben Gemeinde weiter.
Wie ist die Situation für Frauen in der Landwirtschaft? Ist es für sie noch schwieriger, an Geld zu kommen?
Ja, für Frauen ist es viel schwieriger. Für sie ist es schwer, überhaupt in das Geschäft einzusteigen.
Und was den Zugang zu finanziellen Mitteln betrifft, so ist es noch schwieriger, da sie viele Hindernisse überwinden müssen. Diese Woche hatte ich ein Treffen mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften. Sieben Personen waren an dem Treffen beteiligt, davon nur eine Frau. Ich habe mich ausführlich mit ihr unterhalten und versucht, die Schwierigkeiten zu verstehen, mit denen ihr Betrieb zu kämpfen hat. Und ich denke, das ist überall im Land so.
Frauen treten gar nicht in Erscheinung, weil sie von den Männern in den Schatten gestellt werden.
Und kann Ihre App dieses Problem lösen?
Das ist eines der zentralen Themen, die wir angehen wollen.
Und eine der Möglichkeiten, wie wir das angehen wollen, ist ein sehr sensibler Umgang mit der Geschlechterfrage und die bewusste Festlegung einer Frauenquote.
An einem unserer nächsten Projekte nehmen zum Beispiel nur Frauen teil.
Ich weiß, dass die Förderung von Frauen in der Landwirtschaft einen immensen Einfluss auf die gesamte Branche haben wird.
Das ist also eine Möglichkeit, wie wir versuchen, das Problem der ungleichen Vertretung von Frauen und Männern in der Landwirtschaft anzugehen, und wir glauben, dass wir auf dieser Grundlage in den nächsten fünf Jahren noch mehr Frauen erreichen können – 150.000 Frauen sollen es mindestens sein.
Welches Potenzial sehen Sie für die App?
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 eine Kreditsumme von etwa 1 Milliarde USD vergeben wird. Und bis 2035 sollen es etwa 15 Milliarden USD sein. Wir wollen zwischen 5 und 10 % der Nachfrage auf dem Kontinent decken können. Wir wollen 500.000 bis zu einer Million landwirtschaftliche Betriebe erreichen, indem wir ihnen den Zugang zu finanziellen Mitteln ermöglichen und ihr wichtigster Partner sind. Abgesehen von den Zahlen sehen wir jedoch die größte Auswirkung darin, das Problem der Mittelbeschaffung zu lösen, da kleine landwirtschaftliche Betriebe und Produzenten auf dem gesamten Kontinent davon betroffen sind.
Wie denken Sie, wird die Landwirtschaft in Nigeria in 30 Jahren aussehen?
Ich glaube, die Situation wird sich verbessern. Und ich denke, es wird mehr mittelgroße Betriebe geben: Viele junge Leute entscheiden sich für die Landwirtschaft.
Außerdem gibt es jetzt besser ausgebildete Landwirt*innen der Generation Z, die in den Sektor eintreten und viel offener für den Einsatz moderner Technologien sind. Daher, so denke ich, werden mehr finanzielle Mittel in diesen Sektor fließen.