Aufbau klimaresistenter und gerechter Ernährungssysteme: Warum wir Agroökologie brauchen
Agrarökologische Methoden zielen auf Diversität und Resilienz ab und können so den Schutz von Wald, Wasser und Boden fördern. Julia Tomalka und Christoph Gornott, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), über das Potenzial der Agrarökologie zur Absicherung gegen den Klimawandel und zum Aufbau widerstandsfähiger Agrar- und Ernährungssysteme.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens bleibt fast unbemerkt, dass Ostafrika mit einer noch nie dagewesenen Nahrungsmittelkrise konfrontiert ist. Vier Jahre in Folge ist der Regen ausgeblieben und hat einen tödlichen Kreislauf aus Dürre, Hunger und Hungersnot in Gang gesetzt. Diese Krise kommt zu einer Zeit, in der die COVID-19-Pandemie Millionen von Menschen durch fast drei Jahre Krankheit und Handelsbeschränkungen belastet hat, während der Krieg gegen die Ukraine die Kosten für Lebensmittel in Rekordhöhen treibt.
Diese multiplen Krisen erschweren das Leben in Ostafrika, insbesondere für Kleinbäuerinnen und -bauern, die in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig sind. Während der Klimawandel zweifellos eine wichtige Rolle spielt, wird die Ernährungssicherheit weiter untergraben: Durch nicht nachhaltige Anbaumethoden wie Monokulturen, übermäßigen Einsatz von Pestiziden und übermäßige Bodenbearbeitung sowie einen allgemeinen Trend zu einer input-intensiven landwirtschaftlichen Produktion, d. h. einer Produktion, die auf gekaufte Stickstoffdünger, Pestizide oder patentiertes Saatgut angewiesen ist. Viele Landwirtinnen und Landwirte in der Region, insbesondere Frauen, bewirtschaften jedoch nur kleine Subsistenzwirtschaften und haben nur begrenzten Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und erforderlichen Werkzeugen für diese Art Landwirtschaft.
Verschiedene Länder in Ostafrika haben ihren Willen bekundet, diese Herausforderungen zu bewältigen, indem sie sich von einer inputorientierten Landwirtschaft wegbewegen.
Regenerative, lokale Anbausystemen hingegen sichern stabile Ernten über einen langen Zeitraum, auch angesichts von Extremereignissen, und sind somit widerstandsfähiger.
In seinem nationalen Anpassungsplan verpflichtet sich Kenia beispielsweise, Praktiken wie integriertes Bodenfruchtbarkeitsmanagement oder Wassergewinnung zu unterstützen und gleichzeitig indigenes Wissen und eine gesündere Ernährung zu fördern. In Tansania wenden viele ländliche Gemeinden zunehmend die Agroforstwirtschaft an, bei der Bäume zusammen mit Nutzpflanzen angebaut werden. Solche Anbausysteme tragen zum Schutz des Klimas bei und ermöglichen reichere, vielfältigere und stabilere Ernten.
Diese alternativen Praktiken werden zunehmend unter dem Dach der Agrarökologie verfolgt, einem ganzheitlichen Ansatz, bei dem ländliche Ökosysteme und Gemeinschaften an erster Stelle stehen. Im Wesentlichen geht es bei der Agrarökologie darum, so zu wirtschaften, dass positive Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Elementen von Agrarökosystemen wie Pflanzen, Wasser, Boden, Bäumen, Tieren und Menschen entstehen. Es werden Lebensmittelsysteme aufgebaut, die auf lokalem Wissen, einer starken Beteiligung der Landwirtinnen und Landwirte und der Nähe zwischen den verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungskette beruhen. Die Anbindung ist in der Tat ein wichtiges Thema: Viele Landwirte in Ostafrika leben in extrem abgelegenen Gebieten mit schlechtem Zugang zu Straßen und Märkten. In Somalia leben nur 20 Prozent der Landbevölkerung in einem Umkreis von 2 km um eine ganzjährig befahrbare Straße.
Die Agrarökologie ist jedoch keine Besonderheit Ostafrikas. In vielen Teilen der Welt gilt die Agrarökologie als das neue Paradigma für die Umgestaltung der Agrar- und Ernährungssysteme. In Indien beispielsweise, einem Land, das mit ähnlichen Herausforderungen in Bezug auf Dürre und Nahrungsmittelrisiken konfrontiert ist, stellen viele Kleinbäuerinnen und -bauern auf ökologischen Landbau um. Angewendet werden traditionelle Techniken, wie Beejamrit – ein organisches Saatgutbehandlungsmittel, das aus Kuhmist, Kuhurin, Kalk und Erde hergestellt wird. Eine weitere Technik, die in Westafrika angewandt wird, sind die so genannten Zaï-Gruben – eine wasser- und nährstoffsparende Praxis. Mit Techniken wie diesen hat die Agrarökologie das Potenzial, nachhaltige Nahrungsmittelsysteme zu schaffen, die klimaresistent sind und die Menschen auch in Zeiten von Dürre oder Überschwemmungen ernähren können – ein Klimaextrem, dass die Ernteerträge ebenfalls beeinträchtigen kann, wie die Dürre in Madagaskar oder die Überschwemmungen in Pakistan Mitte 2022 gezeigt haben.
Die Agrarökologie ist ein Ansatz für alle Anbausysteme, jedoch besonders vielversprechend für Bäuerinnen, die durch ihre Verantwortung im Haushalt und auf dem Feld oft mehrfach belastet sind.
Den Frauen käme eine größere Wertschätzung und ein besserer Schutz der natürlichen Ressourcen zugute, insbesondere des Wassers. Frauen sind in der Regel die Hüterinnen dieser Ressourcen, haben aber oft keine Entscheidungsbefugnis. Eine stärkere Fokussierung auf den Ort und die räumliche Nähe würde andererseits Möglichkeiten schaffen und Zeit sparen, wenn Frauen keinen Zugang zu Transportmitteln haben oder mit anderen Aufgaben beschäftigt sind.
Wenn die Agrarökologie in großem Maßstab umgesetzt und so konzipiert wird, dass alle Landwirt*innen – sowohl die verwitwete, ältere Frau als auch der junge Mann aus einer ethnischen Minderheit – einbezogen werden, kann sie die Lebensmittelsysteme grundlegend in Richtung einer größeren Klimaresilienz und Gerechtigkeit verändern.