Uniting for Global Food Security: Vom Berliner Konsens zur globalen Antwort
Die G7 reagieren beim Gipfel in Elmau auf die verschärfte globale Hungerkrise und mobilisieren zusätzliche 4,5 Milliarden Dollar allein in diesem Jahr. Einen entscheidenden Meilenstein dafür bildete im Vorfeld die internationale Konferenz für globale Ernährungssicherheit „Uniting for Global Food Security“.
Es nicht nur für die deutsche Politik ein Novum. Die drei Bundesministerien für Äußeres, Entwicklung und für Landwirtschaft haben erstmals gemeinsam zu einer Konferenz geladen, um einig den Kampf gegen die aktuelle Ernährungskrise aufzunehmen. 50 Vertreterinnen und Vertreter aus 40 Ländern berieten am 24. Juni in Berlin Antworten auf den von Russlands Angriffskrieg dramatisch verschärften Hunger weltweit. Sie fanden sie.
Zwei Tage also vor dem G7-Gipfel in Elmau gab die Zusammenkunft „Uniting for Global Food Security“ in der Hauptstadt den Auftakt für die Beratungen der Staats- und Regierungschefs, was angesichts des Ernährungsnotstands zu tun ist. Akteure von Regierungen, internationalen Organisationen und Zivilgesellschaft skizzierten die Lage: „47 Millionen Hungernde sind allein durch den Ukrainekrieg hinzugekommen“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Videobotschaft.
„Jede Minute leiden wegen Putins Handeln hundert Leute mehr.“, sagte Samantha Power von der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID. Und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, dass sich die internationale Gemeinschaft dazu verpflichtet hat, den Hunger bis 2030 zu beenden. „Bis dahin soll jeder Mensch über ausreichende und nahrhafte Lebensmittel verfügen. Doch dieses Ziel rückt immer weiter in die Ferne“, sagte Schulze. Die heutige Hungersnot sei anders als die früheren, „aktuelle Antworten sind nötig“.
Deshalb rief die Bundesentwicklungsministerin gemeinsam mit Weltbankpräsident David Malpass das Bündnis für globale Ernährungssicherheit (GAFS) als globale Solidaritätsplattform ins Leben. Schulze dazu: ...
„Das Bündnis will die schlimmste Hungersnot seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs abwenden und strukturelle Veränderungen vornehmen, die verhindern, dass sich das Leid in Zukunft wiederholt.“
Eine zentrale Frage des Treffens war, wie Russlands Blockade der Seewege im Schwarzen Meer beendet werden kann – führt diese doch zu großen Ausfällen bei Getreideexporten aus der Ukraine in den Rest der Welt, mit drastischen Hungerkonsequenzen weltweit. „Russland setzt Nahrung als Waffe ein“, bilanzierte Wopke Hoekstra, Außenminister der Niederlande. Seine deutsche Amtskollegin Baerbock appellierte „an alle, die es sich leisten können, ihre Hilfen zu erweitern.“ und fügte hinzu: ...
„Wir sind in keinem kurzen Sprint, sondern in einem Langstreckenlauf.“
Aus den Partnerländern meldeten sich viele Vertreterinnen und Vertretern mit Bestandsaufnahmen zu diesem Lauf und mit Vorschlägen zu Wort. „Wir müssen den innerafrikanischen Handel mit Nahrungsmitteln promoten“, sagte Josefa Leonel Correa Sacko, Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der Kommission der Afrikanischen Union (AU). Die südafrikanische Landwirtschaftsministerin und die Ministerin für Umwelt und Klimawandel der Vereinigten Arabischen Emiraten warben beide für mehr Technologie im Agrarwesen: Angela Thoko Didiza forderte eine verstärkte Digitalisierung und Mariam bint Mohammed Saeed Hareb Almheiri skizzierte die positiven Folgen von Investitionen in Innovationen. Um kurzfristig mehr Getreide aus der Ukraine in die Welt zu bringen, schlug Rumäniens Außenminister Bogdan Aurescu wiederum vor, den Hafen in Costantza als Hub einzusetzen. Rania Al-Mashat bilanzierte: „Der Multilateralismus ist bedroht“, so die ägyptische Ministerin für internationale Kooperation, „Da ist unsere Zusammenkunft gut.“
Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kündigten schon während der Debatte an, dass ihre Länder die Mittel für das Welternährungsprogramm (WFP) und andere humanitäre Hilfsorganisationen aufstocken würden – und setzten damit bereits positive Signale für den Gipfel in Elmau. Gleichzeitig bekannten sich viele in Berlin zu einer Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme in Richtung einer besseren Anpassung an den Klimawandel und einer nachhaltigeren Produktion. Doch wer hat für all dies ein Zepter in der Hand?
Vertreter der Zivilgesellschaft forderten die Stärkung des Welternährungsausschuss (CFS). Gabriel Ferrero als Chairperson des CFS selbst betonte: „Es ist nicht nur an der Zeit zu handeln, sondern es ist an der Zeit, gemeinsam zu handeln. Die Vulnerabelsten der Welt haben keine Zeit für Doppelarbeit oder mangelnde Koordinierung in den politischen Aktionsbereichen.“ In den Schlussfolgerungen des Vorsitzes der Konferenz schließlich steht, dass die Rolle des CFS „als inklusive und zwischenstaatliche globale Plattform zur Gewährleistung von Ernährungssicherheit und Ernährung für alle Menschen gestärkt werden soll“. Auch herrschte unter den Teilnehmenden Einigkeit darüber, dass die in Rom ansässigen UN-Organe FAO, IFAD und WFP eine zentrale Rolle spielen sollen.
Auch über Finanzierungen von Ernährungssicherung wurde sich auf der Konferenz ausgetauscht. „Länder müssen sich Geld leihen können, um Nahrung zu kaufen“, fasste Italiens Außenminister Luigi Di Maio zusammen. David Malpass erklärte, in den vergangenen 15 Monaten seien 30 Milliarden Dollar mobilisiert worden, um Ernährungssicherheit zu erzielen. „Wir werden einen Weg aus dieser Krise finden“, sagte der Präsident der Weltbank. Qu Dongyu, Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ergänzte, lokale Produktion solle gestärkt werden, während Nahrungsmittelverluste und Verschwendung zu reduzieren seien. Und Gilbert F. Huonbo, Präsident des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), fügte hinzu: „Es wird entscheidend sein, Finanzierung im ländlichen Raum zu realisieren.“
Den Beteiligten war klar, dass schnell zu reagieren sei. „Das Rad kann nicht neu erfunden werden“, sagte Matthias Mogge, es fehle die Zeit, so der Vorsitzender des Dachverbands der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen (VENRO). Und Vicky Ford, Staatssekretärin im britischen Außenministerium: „Eine frühe Intervention kann Leben retten.“
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte, die multiplen Krisen seien nur zu meistern, wenn Kräfte zusammengelegt würden. „Wir hoffen, dass dieses Format Synergieeffekte schaffen wird.“ Weiter forderte er eine Debatte über die Verwendung von Agrarprodukten, ...
... „sei es als Essen, Futter oder Biokraftstoffen; ich persönlich kann sehr klar sein: Nahrung für Menschen steht an erster Stelle.“
Gegen Ende der Veranstaltung sagte Özdemir: „Wir müssen den Ton für das Treffen in Elmau setzen.“ US-Außenminister Antony Blinken drückte es so aus: „So. Let’s get it done.“