Land, Erbe und die Stimme einer Generation
Immer mehr junge Menschen in Afrika sind landlos oder besitzen nur informelle Landrechte. Doch eine neue Generation gestaltet den Wandel mit. Sie fordert Mitsprache, setzt sich für Gerechtigkeit und Chancen ein und zeigt: Landrechte bedeuten mehr als Eigentum. Sie eröffnen Perspektiven, sichern Lebensgrundlagen und stärken Handlungsspielräume. John World Bonoua , Mitglieder der Youth Initiative for Land in Africa (YILAA) darüber, wie Jugendperspektiven die Debatten über Landpolitik verändern.
Die Zukunft des afrikanischen Kontinents ist jung. Sie ist ehrgeizig, entschlossen und sie fordert ihren Platz. Millionen junger Menschen blicken auf einen Kontinent, der reich an Land, Ressourcen und Wissen ist, und doch fehlt es an gerechtem Zugang, Transparenz und Chancen. Land ist weit mehr als eine bloße ökonomische Ressource, es ist Ursprung und Versprechen. In ihm sind Erinnerungen und die Geschichten von Generationen eingeschrieben. Land ist Identität, Gemeinschaft und Kontinuität. Wer Zugang dazu hat, besitzt die Möglichkeit, Zukunft zu gestalten. Und doch bleibt genau diese Möglichkeit für viele unerreichbar.
Jugend als Motor eines neuen Landverständnisses
Traditionelle Machtverhältnisse, undurchsichtige Eigentumsstrukturen, der Einfluss lokaler Eliten und ausländischer Investoren sowie tief verwurzelte Diskriminierungs- und Ausschlussmechanismen gegenüber marginalisierten Gruppen machen den Zugang zu Land zu einem der zentralen sozialen Konfliktfelder unserer Zeit. Während ältere Generationen sich gezwungen sehen, Land zu verkaufen, um kurzfristige Träume oder unmittelbare Bedürfnisse zu finanzieren, verlieren junge Menschen die Verbindung zu einer Ressource, die über Generationen Wohlstand und Würde gesichert hat. Manche wandern aus, andere suchen ihr Glück im informellen Goldabbau oder in prekären Arbeitssektoren wachsender Städte. Was bleibt, ist ein strukturelles Vakuum: fehlende Perspektiven und kaum Raum für Integration – wirtschaftlich wie gesellschaftlich.
Dabei wäre das Land selbst der Schlüssel. Für Afrikas Jugend ist es kein Erbe, das verwaltet werden muss, sondern eine Investition, die Zukunft ermöglicht.
Sie träumen von einem Kontinent, in dem der Zugang zu Land ein Recht ist, kein Privileg; in dem Frauen und junge Menschen mitentscheiden, wie Boden genutzt und geschützt wird; in dem Landverwaltung kein Machtinstrument, sondern Ausdruck von Gerechtigkeit, Wohlstand und Frieden ist.
Aus dieser Überzeugung heraus entstand die Youth Initiative for Land in Africa (YILAA) – ein panafrikanisches Netzwerk junger Menschen, das Good Governance als Voraussetzung für Emanzipation versteht. YILAA arbeitet in über 30 Ländern, fördert Aus- und Weiterbildungen, Forschung und Austausch und bringt Stimmen zusammen, die lange überhört wurden. Alle zwei Jahre organisiert das Netzwerk die International Youth and Land Governance Conference (CIGOFA), auf der junge Fachleute, Aktivist*innen und Entscheidungsträger*innen gemeinsam an Ideen für gerechtere Landpolitik arbeiten. Die nächste Ausgabe wird 2026 in Kapstadt stattfinden – ein weiterer Schritt, um die afrikanische Jugend als gleichberechtigte Akteurin in Fragen von Land und Entwicklung sichtbar zu machen.
Wissen, Netzwerke und die Kraft neuer Initiativen
Doch politische Räume allein reichen nicht. Wissen ist die Grundlage jedes Wandels. Das Network of Excellence on Land Governance in Africa (NELGA) hat in den vergangenen Jahren eine neue Generation von Landexpert*innen hervorgebracht, die heute an Universitäten lehren, Strategien entwickeln und den öffentlichen Diskurs mitprägen. Viele von ihnen sind Teil eines größeren Paradigmenwechsels: weg von der Verwaltung des Status quo, hin zu einer inklusiven, lernenden Landpolitik. Dass NELGA 2026 ausläuft, ist ein Verlust, der weit über das bloße Programm hinausreicht.
Neben der Wissenschaft treibt vor allem die Zivilgesellschaft diesen Wandel voran. Organisationen und lokale Initiativen bilden junge Menschen aus, schaffen Bewusstsein und schlagen Brücken zwischen Gemeinschaften und staatlichen Institutionen. In Côte d’Ivoire etwa wurden Jugendliche geschult, einfache GPS-Geräte zu nutzen, um Landgrenzen zu dokumentieren und Konflikte zu vermeiden – heute sind sie unverzichtbare Partner*innen in ihren Gemeinden. Dort, wo Frauen durch Initiativen wie Les Amazones du Foncier über ihre Rechte aufgeklärt werden, entstehen neue Formen lokaler Autorität: Frauen, die Land nicht nur kultivieren, sondern bewahren.
Diese Erfahrungen zeigen, was möglich ist, wenn Integration ernst genommen wird. Wo junge Menschen und Frauen in Entscheidungsprozesse eingebunden sind, wird Landverwaltung transparenter, gerechter und friedlicher. Sie zeigen auch: Es braucht keine großen Gesten, sondern konsequente politische und finanzielle Unterstützung, um Strukturen zu verändern. Lange galt Landwirtschaft als letzte Option für diejenigen, die im Bildungssystem gescheitert waren. Heute zeigt sich ein anderes Bild. Projekte in Benin beweisen, dass moderne, agrarökologische Ansätze nicht nur Einkommen sichern, sondern auch ökologische Verantwortung stärken können. Junge Menschen lernen dort, wie nachhaltige Landwirtschaft mit Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz verbunden werden kann. Sie produzieren nachhaltiger und gestalten damit eine Ökonomie, die in die Zukunft denkt. Doch ohne Land bleibt selbst die beste Ausbildung folgenlos. Staatseigene Flächen sind oft ungenutzt oder intransparent verwaltet. Genau hier liegt ein gewaltiges Potenzial. Technische und finanzielle Partner – darunter internationale Organisationen – können durch gezielte Programme Regierungen dazu ermutigen, jungen Menschen Land zur Verfügung zu stellen.
Das wäre ein Signal, das weit über die Landwirtschaft hinausreicht: ein Bekenntnis, die Jugend als Investition und nicht als Risiko zu begreifen.
Innovation, Verantwortung und die Zukunft der Landpolitik
Auch Technologie spielt dabei eine zentrale Rolle. Digitalisierung ist längst keine Option mehr, sondern Voraussetzung für gerechte Landverwaltung. Überall auf dem Kontinent entwickeln junge Afrikaner*innen digitale Werkzeuge, die Transparenz schaffen: Apps, die Landtitel registrieren, Eigentum nachverfolgen, Konflikte verhindern oder Daten zugänglich machen. Sie nutzen Drohnen, Blockchain und künstliche Intelligenz – und zeigen so, dass digitale Innovationen keine importierten Konzepte, sondern lokal verwurzelte Praxis sind.
Doch Technologie allein reicht nicht. Ohne Bildung, ohne Werte, ohne den Dialog zwischen Generationen verliert sie ihre Richtung. Afrikas Zukunft entsteht aus der Verbindung von Erfahrung und Mut, von Tradition und Erneuerung. In vielen Gemeinschaften existiert ein über Generationen weitergegebenes Wissen darüber, wie Mensch und Erde im Gleichgewicht leben können. Diese kulturelle Intelligenz ist ebenso wertvoll wie jede digitale Lösung. Die Landverwaltung der Zukunft muss aus diesem Dialog heraus entstehen – zwischen jenen, die erinnern, und jenen, die gestalten.
Afrikas Jugend hat keine Angst und keinen Mangel an Ideen. Was fehlt, sind Vertrauen, Ressourcen und Räume, um zu handeln. Der Zugang zu Land muss neu gedacht, Eigentumsverhältnisse geklärt und digitale Innovationen gefördert werden. Vor allem aber darf die Jugend nicht länger Adressatin politischer Programme sein, sondern muss Mitgestalterin werden. Das Afrika von morgen entsteht nicht in Strategiepapieren, sondern in den Händen jener, die heute bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Land ist dabei mehr als Besitz – es ist die Basis von Selbstbestimmung. Wenn junge Menschen Zugang zu Land haben, investieren sie nicht nur in ihre eigene Zukunft, sondern in Frieden, Ernährungssicherheit und Souveränität.
Afrikas Jugend ist nicht das Problem, sie ist die Ressource, die wir aktivieren müssen. Geben wir ihr die Mittel, zu handeln, zu forschen und zu gestalten – und das Land wird wieder das, was es immer war: Grundlage von Leben, Gemeinschaft und Hoffnung.