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Von Henriette Stehr, Nora Adelhardt, Brendon Bingwa und Susanne Wolf
Agri-Photovoltaik kombiniert photovoltaische Stromerzeugung mit landwirtschaftlicher Produktion, ermöglicht eine effizientere Landnutzung und fördert Stromerzeugung durch integrierte Nahrungsmittel-, Energie- und Wassersysteme. Dies kann vor allem für Länder im Globalen Süden interessant sein, wo die Elektrifizierungsrate in ländlichen Gebieten oft niedrig ist und die Ernährungssicherheit verbessert werden muss. Welche Möglichkeiten das System bietet, soll im Rahmen eines Forschungsprojekts in Mali und Gambia untersucht werden, wobei der Schwerpunkt auf der Einbindung der Gemeinschaft und der integrativen Finanzierung liegt.
Dieser Beitrag erschien zuerst als Newsmeldung in der Rural21 und ist Teil einer Medienkooperation zwischen Rural21 und foodfortransformation.org
Agri-Photovoltaik-Anlagen ermöglichen eine doppelte Flächennutzung, bei der eine einzige Fläche sowohl für die landwirtschaftliche Produktion als auch für die photovoltaische (PV) Stromerzeugung genutzt wird. Erste konzeptionelle Überlegungen gab es zwar bereits 1982, doch erst in den letzten Jahren hat das Thema an Dynamik gewonnen. Bis 2021 wurden weltweit 14 Gigawattpeak (GWp) an Leistung installiert. Bei agri-photovoltaischen Systemen werden PV-Paneele auf einer Unterkonstruktion montiert, die auf der landwirtschaftlichen Fläche steht.
Sie erzeugen nachhaltigen Strom, während die Agrarproduktion unter oder zwischen den einzelnen Modulreihen stattfindet. Wird die Anlage erhöht installiert, gibt es am Boden genügend Platz für landwirtschaftliche Aktivitäten.
Das bringt viele potenzielle Vorteile mit sich, wie etwa eine effizientere Flächennutzung, Beschattung und physische Abdeckung durch die Paneele. Gleichzeitig verändern die Paneele das Mikroklima und schützen Pflanzen und Böden, was zu höheren Ernteerträgen und einer besseren Qualität führen kann. Ein vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Deutschland durchgeführter Feldversuch hat gezeigt, dass die Parallelnutzung von Flächen die Flächennutzungseffizienz um bis zu 84 Prozent (je nach Anbauform) steigern kann, somit also eine ressourceneffiziente Möglichkeit, um die Flächenproduktivität zu verbessern und die Ernährungssicherheit zu erhöhen.
Die meisten aktuellen Agri-Photovoltaik-Anlagen befinden sich im Globalen Norden, in Deutschland wurde 2016 die erste Pilotanlage installiert. Der Globale Süden verfügt jedoch über ein außerordentlich hohes Potenzial für agri-photovoltaische Anlagen, da diese Regionen besondere Vorteile und Chancen bieten könnten (siehe Kasten unten). Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2020 das Projekt APV-MaGa – Agri-Photovoltaik für Mali und Gambia (siehe Kasten am Schluss des Artikels) ins Leben gerufen. Bei diesem Projekt werden fünf Agri-Photovoltaik-Anlagen in Mali und Gambia installiert – beides Länder, mit denen die Projektpartner*innen bereits im Rahmen des Wasser-, Energie- und Ernährungssicherheits-Nexus zusammenarbeiten. Beide Länder befinden sich in der Sahelzone, einem der durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Gebiete mit einem hohen Dürrerisiko. Die hohe Sonneneinstrahlung und die Abhängigkeit der Bevölkerung von der Landwirtschaft verstärken die Notwendigkeit einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung, zumal fruchtbares Ackerland immer knapper wird. Da sich der Klimawandel zunehmend auf die Landwirtschaft auswirkt und der Energiebedarf steigt, ist es für beide Länder wichtig, innovative und nachhaltige Energielösungen zu finden und die Ernährungssicherheit zu verbessern.
Die agri-photovoltaischen Systeme sollen die lokalen Gemeinden mit Nahrungsmitteln, Wasser und Strom versorgen und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des Agrarsektors gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels erhöhen.
Geplant ist der Bau einer 200-kWp-Anlage (kWp = Kilowattpeak) in Mali bis Ende 2023 und von vier kleineren Anlagen mit bis zu 62,5 kWp in Gambia bis zum Ende des ersten Quartals 2024. In Mali wird das System auf dem Gelände des Rural Polytechnic Institute of Training and Applied Research in Katibougou installiert, Aufstellungsorte in Gambia sind die Universität von Gambia, ein kleiner privater Bauernhof und zwei landwirtschaftliche Betriebe der Gemeinde. Die Kombination aus unterschiedlichen Betriebstypen ermöglicht sowohl die traditionelle wissenschaftliche Forschung, bei der die Bedingungen strenger kontrolliert werden, als auch die nicht-traditionelle Forschung, bei der die Einbeziehung der Gemeinde einen flexiblen wissenschaftlichen Ansatz erfordert (zum Beispiel Anwendung lokaler landwirtschaftlicher Praktiken, soziale Interaktion mit dem System usw.). Um den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen am Boden zu ermöglichen und einen höheren Energiegewinn aus den verwendeten bifazialen PV-Modulen zu erzielen, die auf beiden Seiten Strom erzeugen (auch die Rückseite der Module fängt Sonnenstrahlen ein), sollen die Photovoltaik-Module in einer Höhe von 2,5 Metern installiert werden. Einige der Demonstratoren verfügen über ein Regenwassersammelsystem, bei dem das Regenwasser in einer Rinne zwischen den Modulen gesammelt und in Tanks in etwa fünf Metern Höhe gespeichert wird. Die Verteilung in den Zielgebieten erfolgt über Solarpumpen.
Mit dem erzeugten Strom sollen zusätzliche Anlagen wie Kühlräume, Nachernteanlagen und Bewässerungssysteme betrieben werden, die ebenfalls im Projektumfang enthalten sind. Zu den unter den agri-photovoltaischen Systemen angebauten Kulturen gehören Sorten, die üblicherweise auch von den lokalen Landwirt*innen angepflanzt werden, wie beispielsweise Zwiebeln, Tomaten, Kartoffeln, Okraschoten und grüne Bohnen, sowie Kulturen mit hohem wirtschaftlichem Wert, die bisher aufgrund der raueren klimatischen Bedingungen nicht angebaut werden konnten, wie etwa Erdbeeren und Brokkoli. Die Forschungsergebnisse werden von den lokalen Partner*innen über die Projektlaufzeit hinaus gesammelt und zur Verfügung gestellt.
Auf diese Weise können Langzeitdaten erfasst werden, die wichtig sind, um die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Photovoltaiksysteme unter den lokalen klimatischen und sozioökonomischen Bedingungen genau bewerten zu können.
Wirtschaftlich gesehen sind zahlreiche kurz- und langfristige Auswirkungen zu erwarten. So lässt sich beispielsweise das Einkommen der Landwirt*innen durch höhere Erträge und eine hochwertigere Qualität der Ernte sowie durch eine bessere Abstimmung auf die Nachfrage auf dem Markt erhöhen, sodass die in Kühlhäusern gelagerte Ernte in Zeiten hoher Nachfrage/geringer Verfügbarkeit zu höheren Preisen verkauft werden kann. Hinzu kommt, dass durch eine effizientere Bewässerung und die zunehmende Verfügbarkeit von selbst erzeugtem Strom die Betriebskosten gesenkt werden können. Die zusätzlichen Einnahmen können langfristig zu Investitionen führen und die Expansion auch außerhalb der lokalen Märkte fördern. Die zusätzlich an die Agri-Photovoltaik-Anlage angeschlossenen Geräte ermöglichen es den Landwirt*innen und den landwirtschaftlichen Gemeinschaften zudem, ihre Einnahmequellen zu diversifizieren und ihr Einkommen durch den Verkauf von Dienstleistungen an die umliegenden Gemeinden zu erhöhen.
Die Umsetzung eines gemeinschaftsbasierten Ansatzes, vor allem in Gambia, ist ein wichtiger Kernpunkt des Projekts. Dies wirkt sich in vielerlei Hinsicht aus – angefangen bei dem regen Austausch mit den lokalen Partner*innen und den Mitgliedern der Gemeinschaft.
Bei der Evaluierung dieses Austauschs kommen partizipative Verfahren und Akzeptanzstudien zur Anwendung. Zum anderen plant das Projektteam Gruppendiskussionen mit lokalen Landwirt*innen und anderen potenziellen Kleinbäuerinnen und -bauern, um individuelle Bedürfnisse zu verstehen und ihre Anregungen berücksichtigen zu können. So lassen sich auch fachliches Know-how und persönliches Engagement der Landwirt*innen in das Vorhaben einbringen. Um zu gewährleisten, dass das System an die regionalen Gegebenheiten angepasst werden kann, wird ein Co-Design-Workshop mit wichtigen Interessengruppen organisiert. Dabei steht die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells für den langfristigen Erfolg der Agri-Photovoltaik-Systeme im Vordergrund. In beiden Ländern wird darüber hinaus eine lokale Organisation gegründet, um die finanziell beteiligten Interessengruppen und die Mitglieder der Gemeinschaft in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Diese Organisationen sorgen für die langfristige Instandhaltung der Systeme.
Das Projekt befindet sich noch in der Planungsphase und die Finanzierung erweist sich als die wohl größte Hürde. Auch die finanziellen Eigenleistungen der lokalen Partner*innen spielen dabei eine Rolle. Das traditionelle Modell der Geberfinanzierung mit einer nur geringen Beteiligung der lokalen Partner*innen soll abgelöst werden, da dies, wie man feststellte, oftmals zu langfristigen Problemen oder gar zum Scheitern von Projekten führt. Stattdessen wird hier auf eine Mischfinanzierung aus öffentlichen und privaten Mitteln gesetzt. Auch die Bereitstellung von Sachleistungen (Arbeitskräfte, Ausrüstung, Nutzung der vorhandenen Infrastruktur usw.) durch die lokalen Partner*innen wird als eine Form der Finanzierung betrachtet. Da es sich beim Projekt APV-MaGa jedoch um ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben handelt, ist es schwierig, Investitionen von Privatunternehmen zu erhalten. Diese gegensätzlichen Interessen zwischen privaten und öffentlichen Geldgebern bedeuten einen hohen Kommunikationsaufwand. Mit dem Projekt soll die Kluft zwischen diesen beiden Interessengruppen überbrückt werden, um einen neuartigen, integrativen und langfristigen Finanzierungsansatz zu erreichen, der mit dem Gesamtziel für das Projekt übereinstimmt. Auf der Grundlage ihrer Erfahrungen mit früheren gescheiterten Projekten sind sich die lokalen Partner*innen einig, dass mit diesem Ansatz die Probleme gemildert werden könnten. Daher möchten sie auch nach Möglichkeiten suchen, ihre Beiträge in Form von Geld- oder Sachleistungen zu sichern.
Obwohl der Globale Süden über ein großes Potenzial für die Agri-Photovoltaik verfügt, werden noch viele Forschungsdaten benötigt.
Im Agrarsektor soll untersucht werden, wie sich die Beschattung auf das Mikroklima unter den PV-Modulen auswirkt, welche Folgen dies für die Kulturen hat und welche Kulturen unter diesen veränderten Bedingungen am besten angebaut werden können.
Da sich die Vorlaufkosten für die Systeme möglicherweise als Hindernis für eine großflächige Einführung im Globalen Süden erweisen, sind auch weitere Forschungen nötig, um Lösungen zu finden, mit denen die Kosten gesenkt können und/oder eine positive Kapitalrendite erzielt werden kann. Zu prüfen ist, welche Finanzierungs- und Geschäftsmodelle geeignet sind. Einige dieser Modelle lassen sich vielleicht auch aus anderen Projekten übertragen. Für afrikanische Länder könnten dies beispielsweise die von Horvath beschriebenen Modelle sein („host-owned“, „community-owned“, aber auch „pay-as-you-go“, um nur einige zu nennen). Weitere Themen für laufende und zukünftige Forschungsvorhaben sind die Verwendung alternativer Baumaterialien (wie Bambus und Holz) und der effiziente Einsatz von Materialien, beispielsweise durch die Integration von Regenwasserauffangsystemen in die Unterkonstruktion. Höhere Vorlaufkosten und die Ungewissheit, wie sich die Beschattung auf die Kulturen auswirkt, sind die Hauptargumente, die gegen die Nutzung von Agri-Photovoltaik-Systemen in den Zielregionen sprechen. Angesichts der ausgesprochen niedrigen Stromtarife lassen sich höhere Systemkosten nur schwer rechtfertigen, und nicht alle Kulturen reagieren positiv auf die Beschattung und die Veränderungen des Mikroklimas, sodass sich die Ernteerträge eher verringern als erhöhen könnten.
Zu den Schlüsselfaktoren, die über den Erfolg des Systems entscheiden, gehört nicht zuletzt auch, dass man mehr Erkenntnisse darüber gewinnt, wie das System von der lokalen Bevölkerung angenommen wird.